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Tageszeitung, 04./05.10.08
„Es fährt ein Zug ...“
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„... Das von Torsten Schilling verfasste
und inszenierte Stück ist direkt am Puls der demografischen
Entwicklung gebaut, der zufolge die Zahl der Senioren
zumindest in der westlichen Welt die der Jüngeren
sehr bald in die Tasche stecken wird. Es erzählt
von fünf Menschen der älteren Semester, die
sich, statt an den Friedhof zu denken, im Ballsaal zum
Tanzen treffen. Bedient werden sie dabei von einer missmutigen
jüngeren Kellnerin (Christina Khuen), die als einzige
den Spaß am Leben verloren hat. Die rüstigen
Pensionisten hingegen behaupten unverdrossen und ansteckend
ungeniert ihr Recht auf Liebe und Daseinsfreude nach
dem Motto: „Unsere Organe sind verödet –
aber wir haben unsere Lebenslust...“
Ulli Naumann (die auch die Choreografie besorgt hat)
mimt eine alternde Tänzerin, die als einzige keine
amourösen Verstrickungen ihr eigen nennt und auch
noch froh darüber ist, tanzt wie eine aufgezogene
Spieluhr über die Bühne, Raimund Marini spielt
auf das Köstlichste einen verwitweten alten Herrn,
der schüchtern wie ein Teenager seinen ersten Liebesantrag
daherstammelt. Liz Marmsoler stellt eine feine Dame
dar, die ein Leben lang auf den Rechten gewartet hat,
doch jetzt ist sie entschlossen, ihr Glück zu suchen
und festzuhalten, wenn es sich denn zeigt. Helga Pulmer
und Erich Röder spielen ein Ehepaar, daß
die Goldenen Hochzeitsnächte gar nicht mehr zählen
kann und sich mit Humor und gediegenen Bonmots über
die Runden gebracht hat. ... Sie begehren, beschnüffeln
und bedauern einander – die drohende Nähe
zum Grabstein ist bloß ein Thema unter vielen.
Es ist eine heitere, flotte Idylle aus Klamauk, tiefgründigen
Lebensweisheiten und Tanz, die Torsten Schilling entworfen
hat, doch keineswegs ist es nur ein Stück über
lustige Greise. Manchmal fühlt man sich seinen
Darstellern so vertraut, dass man schon dazuzugehören
glaubt. Es ist erstaunlich, wie entspannt und heiter
man eine Bühne einnehmen kann.
Am, Schluss wird kräftig geschmust und „alles
ist so wie früher – nur anders“. So
jung möchte man einmal werden! ...“
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