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Tageszeitung, 29.09.07
BAR JEDER VERNUNFT |
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... Regisseur Torsten Schilling hat mit Christina
Khuen, Martina Marini, Eva Kuen, Dietmar Gamper und Matteo
Facchin als Musiker ein Traumspiel entworfen, das man als
Zuschauer wie auf Droge verfolgt. „Nacht Traum Reise“
ist ein Bilderstrom, eine Folge aneinandergereihter Szenen,
die für sich stehen, zusammen jedoch eine traumwandlerische
Geschichte voller Ungewissheit, Enigma und Paradox ergeben.
Schilling entwickelt alles aus der Gefühls- und Assoziationswelt
seiner literarischen Akteure, bar jeder Vernunft miteinander
verknüpft. Mit Texten von fast vierzig Autoren von Shakespeare
über Brentano, Eichendorff, Caroline von Günderrode,
Flaubert, Novalis, Kubin bis Virginia Woolf näht er am
samtenen Saum nächtlicher Stunde.
Betörend schöne Bilder entstehen so, oft genug auch
urkomische Einfälle. Da umgarnt Undine den Nichtschwimmer,
ins Wasser zu kommen, eine Kuh berichtet von ihren grasigen
Träumen, ein Herr mit ausgeprägtem Politdeutsch
erzählt unterm Regenschirm, der ein Beregnungsschirm
ist, einen seltsamen Albtraum, gackernde Hühner scharren
im Meer und schlüpfen der Göttin unter den Rock,
hinter Spiegeln tut sich die Schattenwelt auf, im Park leuchten
sich die Darsteller mit Lampen auf dem Kopf durch die Dunkelheit.
Das ewige Nachtlämpchen leuchtet ihnen!
Fast vierzig Kostüme hat Zita Pichler für die Inszenierung
geschneidert oder im Fundus aufgestöbert. Skurrile mit
eingeschweißten Goldfischen, abenteuerliche Hexenhuder,
solche mit pompöser Pracht oder einfach klassisch, und
verwandelt die Collage damit in ein Labyrinth der Identitäten.
Überhaupt herrscht das Gesetz der Mehrfachbelichtung,
der Ähnlichkeit, der still schwebenden Ahnungen ...
Schilling kann auf ein äußerst spielfreudiges Ensemble
zählen. Der Zauber des Stücks scheint auf sie selbst
am meisten zu wirken, wenn sie – Szene für Szene
– ganz beiläufig Abgründe offenbaren oder
komische Schieflagen der Menschenseele zum Vorschein bringen.
Es ist doch etwas routiniert geworden im institutionalisierten
Südtiroler Theaterbetrieb. Umsomehr braucht es Ungereimtheiten,
an die man seinen Verstand so richtig schön verschwenden
kann. Torsten Schillings erste Produktion mit FABRIK AZZURRO
öffnet einen Weg, der noch ungeahnte Fortsetzungen möglich
macht ...
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